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Geschichte

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Die Kirchensängergesellschaft

Wie nicht anders zu erwarten war, erfolgte auch in unserem Dorfe der Anstoss zur Gründung einer Sängergemeinschaft von der Kirche aus. So lesen wir im alten Protokollbuch, dass schon im Jahre 1709 unter der Leitung des damaligen Pfarrers von Ellikon, Johannes Hofmeister, Gesangsübungen abgehalten wurden. Diese "Gesangsübungen" beriefen im Winter 1711/12 den bekannten Musikus Erb von Ober-Winterthur, um sie in Gesange zu unterrichten.

Die kurze Lehrtätigkeit dieses Musikers sollte offenbar den Sängerfreunden ermöglichen, in Zukunft auch aus eigener Kraft die Gesangsübungen durchzuführen. Noch im gleichen Jahr, also 1712, stellte der Verein in 30 Paragraphen die Gesellschaftsordung auf und liess sie von jedem Sänger, 26 an der Zahl, eigenhändig unterschreiben. Neun Jahre später erfolgte die Erneuerung der Statuten und zwei Jahre darauf erhielten sie auch von Landvogt Escher von Kyburg den obrigkeitlichen Segen.

Ein eigentliches Protokollbuch wurde in den ersten 120 Jahren nicht geführt. Erst ab 1830, als die Statuten abermals erneuert werden mussten, lässt sich das Vereinsleben der Kirchensängergesellschaft und später des Männerchores lückenlos verfolgen. Die eingangs erwähnten Angaben über die Anfänge des Vereins sind in einem Protokolleintrag aus dem Jahre 1860 entnommen worden. Die neuen Statuten aus dem Jahre 1830 zeigen, dass der Verein gewillt war, durch ernsthafte Arbeit das Gesangswesen im Dorfe zu fördern. Der Zweck der Gesellschaft war die "Gemeinschaftliche Übung und die Vervollkommnung im Gesange, besonders im Kirchengesange, damit diese Teil des Gottesdienstes, an welchen die ganze Gemeinde Anteil nimmt, immer gut gedeihe zu aller Erbauung." Daraus geht klar hervor, dass der Gesang in aller erster Linie dem Gottesdienst zu dienen hatte.

Ein weiteres Vorhaben der Kirchensängergesellschaft war die "Aufrechterhaltung guter, erbaulicher Sitten. Wenn einer durch sein Verhalten den Ruf der Gesellschaft gefährdet, so sollen ihn die anderen warnen und allenfalls anzeigen." Dieser Artikel in den Statuten zeigt immerhin, dass schon in der sogenannten guten alten Zeit mit undisziplinierten Leuten zu rechnen war, sie bilden also nicht eine Erfindung unserer Zeit. Überhaupt achtete man streng auf eine gute Disziplin. Insbesondere wurden die Sänger zum regelmässigen und pünktlichen Besuch der Gesangsstunden angehalten. Zuspätkommende oder Abwesende, die keine triftige Entschuldigung hatten, wurden mit einer Busse bestraft. Auch die Gottesdienste mussten regelmässig besucht werden. 1841 beschloss der Verein sogar eine Busse von einem Rappen für das Nichterscheinen beim Gottesdienst einzuführen. Zweimal pro Woche fanden Gesangsübungen statt, und zwar Dienstag- und Freitagabend. Ort: Schulhaus. Gesungen wurde in den Wintermonaten vom Dienstag nach Martini bis und mit dem ersten Freitag im März, im Sommer nach der Kinderlehre in der Kirche.

 

Die Leitung der Gesangsproben lag in den Händen eines Sängermeisters. Meistens bekleidete der Schulmeister dieses Amt, sofern er das nötige Rüstzeug dazu besass. Die Besoldung des Sängermeisters war recht mager. Er hatte Anteil an den obligatorischen Hochzeitsgaben der Sänger. Erst im Jahre 1856 findet man erstmals im Rechnungsbuch eine Sängermeisterbesoldung eingetragen. Sie betrug Fr. 4.- im Jahr.

Wer sich für die Aufnahme in die Kirchensängergesellschaft bewerben wollte, hatte sich einer strengen Gesangsprüfung zu unterziehen. Dem Prüfling wurde ein Lied vorgelegt, das er singen musste. Er hatte sich nachher dem Urteil der Gesellschaft zu fügen. Der Schreiber verlas die Statuten und der neue Sänger hatte sich, allerdings erst nach dem Bezahlen des Eintrittsgeldes mit seiner Unterschrift bereit zu erklären, die Gesellschaftsordnung zu akzeptieren.

Im Eigentum der Gesellschaft befanden sich in der Kirche eine Anzahl Kirchenstühle. Die Besetzung der Stühle war genau bestimmt. Zum Beispiel waren die Stühle Nr. 27 und 28 unter der Kanzel die Sängermeisterstühle. Das Verzeichnis gibt ferner namentlich Auskunft über die Besitzer dieser Stühle. So hat Jakob Fischer von Ellikon am 7. März 1851 den Stuhl Nr. 13 in der Emporkirche als ständigen Platz zugewiesen erhalten. Neun Jahre später trat er ihn an einen Nachfolger wieder ab.

Das Ansehen und die wirtschaftliche Macht der Gesellschaft war Mitte der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts den Dorfverhältnissen entsprechend, ausserordentlich gross. Dies illustriert trefflich folgende kleine Episode:
Im Jahre 1858 erbaute die Schulpflege das jetzige alte Schulhaus. Die Kosten dafür überstiegen offenbar die finanziellen Mittel der Schule. So wurde an die Sängergesellschaft das Gesuch gerichtet, an die Baukosten einen Beitrag zu leisten, um, wie es im Schreiben hiess, "den einzelnen Zahlungspflichtigen in ihren Leistungen für die Kosten des neuen Schulhausbaues entgegenzukommen." Die Antwort wiederspiegelt das Standesbewusstsein der Gesellschaft. Es heisst da, "man wolle mit einem Geschenk noch zuwarten, bis die Gesellschaft glaubt, dass ein solches Geschenk ihr die gehörige Achtung verschafft."
Ob diese Episode wohl noch als ein letztes Aufbäumen vor dem Niedergang der alten Kirchensängergesellschaft gewertet werden muss? Wie aus Protokollen zu ersehen ist, fand in jener Zeit in den Reihen der Sänger ein langsamer Prozess zur Verweltlichung ihres Gesanges statt. In den neuen Statuten von 1857 wurde bestimmt, dass auch Lieder für den Gemischten Chor geübt werden können. Vor allem aber sollten auch Lieder für vierstimmigen Männerchor gesungen werden. Die Lieder und auch der Geist Hans Georg Nägelis verbreiten sich auch in unserer Gegend.

Das letzte Protokoll der Kirchensängergesellschaft ist datiert vom 2. Januar 1869. Ein spezieller Hinweis über die Auflösung des Vereins findet man darin nicht.


Das Erbe der alten Kirchensängergesellschaft

Der Männerchor

Eigenartigerweise findet man in den Protokollbüchern der alten Kirchensängergesellschaft nichts von der Gründung des Männerchors. Dagegen ist in einem Protokolleintrag aus dem Jahre 1886 ein
offenbar aus mündlicher Überlieferung bekanntes Datum für die Gründung des Männerchores angegeben. Darnach soll er im Anfang der Fünfzigerjahre vorigen Jahrhundert zum ersten Mal aufgetreten sein. Da nun aber die Kirchensängergesellschaft laut Protokoll bis zum Jahre 1869 bestanden haben soll, ist es möglich, dass während einiger Jahre beide Vereine existiert haben. Dass dann schliesslich der Männerchor bei den Sängern des Dorfes mehr Anziehungskraft ausübte, muss als Zeichen der Zeit betrachtet werden. Vermutlich dürften sich während einer gewissen Zeit die beiden Vereine rivalisiert haben.

Später hat man sich auf alle Fälle versöhnt, denn die alte Gesellschaft stiftete dem Männer für die neue Fahne im Jahre 1887 Fr. 40.-. Diese zweite Fahne, die erste stammt aus der Gründungszeit und ist noch immer erhalten (siehe Bild), wurde von Maler Spiller in Elgg für Fr. 240.- entworfen und gemalt. Mit Pferd und Wagen fuhr der Verein am 24. April 1887 nach Elgg, um die Fahne abzuholen. Zwei Gönner, der Löwen- und der Steinfelswirt spendeten für die Fahne Fr 7.- bzw. Fr 5.-. Vor einer grösseren Öffentlichkeit konnte die Fahne erstmals am Bezirkssängerfest in Töss im Jahre 1889 präsentiert werden. Der Verein verzichtete jedoch damals auf einen Solovortrag. Er fühlte sich vor allem zahlenmässig zu schwach, um am Sängerwettstreit erfolgreich mitzuwirken. Es ist deshalb der Vereinsleitung nicht zu verargen, dass sie im folgenden Jahr beschloss, aus dem Bezirksverband auszutreten. Der Verein fühlte sich wahrscheinlich nicht wohl in der Umgebung der grossen Stadtchöre.

Im Dorfe selbst sorgen initiative Sänger dafür, dass die Musikbegeisterung der Leute nicht erlahmte. Ein Höhepunkt in der Geschichte des Männerchores und des ganzen Dorfes brachte die Freiheitsbaumfeier im Jahr 1898. Der damalige Lehrer und Geschichtsforscher Emil Stauber, der übrigens auch die Dorfchronik aus dem Jahre 1898 verfasst hat, organisierte mit dem Verein eine wohlgelungene Feier, die auch in der weiteren Umgebung starke Beachtung fand.

In den nachfolgenden 40 Jahren waren es zwei Lehrer, die die Geschicke des Vereins bestimmten. Elf Jahre, von 1901-1912, führte Herr E. Kriesi den Chor an, und von 1913-1938 stand er unter der Leitung von Rudolf Kägi. Während Ernst Kriesi unseren älteren Bewohnern noch als Lehrer in Erinnerung sein dürfte, kennen viele heutige Sänger Rudolf Kägi als Lehrer und als Dirigenten. Als Höhepunkt seiner Dirigentenzeit darf der Sängertag des Jahres 1933 betrachtet werden, derzugleich als Fahnenweihe des Männerchores gefeiert wurde. Die poetische Ader des Dirigenten kam in seinem Festspiel "S'Jahr i und s'Jahr us" zum Ausdruck. Darin fasste der Author die Begebenheiten des Dorfes während eines Jahres zusammen. Viele Elliker werden sich bestimmt noch mit Freuden an jenes gelungene Fest erinnern.

In die Dirigentzeit von Rudolf Kägi fällt auch die Gründung des Sängerverbandes Thurtal. Die Initiative ging diesmal von Altikon aus. Der Einladung zum ersten Sängertag im Jahre 1922 folgten die Chöre von Dinhard, Thalheim, Uesslingen, Erzenholz und Ellikon. Erst zögernd, dann aber mit umso grösserem Interesse traten später auch andere Vereine dem Sängerverband bei, der heute 15 Chöre zählt.

Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges musste der allseits geschätzte Dirigent den Stab in andere Hände legen. Seine Wirkungszeit im Dorfe hatte auch in der Schule seinen Abschluss gefunden. Übergross dürfte seine Freude gewesen sein, als ihn der Männerchor anlässlich einer Ausfahrt im Jahre 1947 in seinem Heim in Rüti-Tann ein Ständchen brachte. Ja, unsere Sänger hatten ihren verdienten Dirigenten nicht vergessen.

Der Weltkrieg brachte es mit sich, dass im Dorfe die Vereinstätigkeit auf ein Minimum beschränkt werden musste. Zahlreich sind die Eintragungen im Protokoll, wo es heisst, dass die Proben nicht durchgeführt werden konnten, weil der grösste Teil der Sänger unter die Fahnen gerufen worden sei. Die Nachkriegszeit litt etwas unter dem stetigen Dirigentenwechsel, der zugleich auch mit dem Lehrerwechsel verbunden war. Neben den üblichen Veranstaltungen, wie Sängertag, Silvesterfeier und Mitwirkung am Nationalfeiertag bildeten natürlich auch die Reisen Höhepunkte im Vereinsleben. Doch davon soll in einem besonderen Kapitel die Rede sein.

Der letzte Dirigentenwechsel geht auf das Jahr 1959 zurück. Seit diesem Datum steht der Männerchor unter der umsichtigen Leitung von Herrn Mario Hindermann, der, selbst ein begnadeter Musiker, es auf feinfühlige Art verstanden hat, auch das eher moderne Liedergut mit Erfolg in das Repertoire seines Chores aufzunehmen.


[wird weitergeführt.]



Quelle:
1712-1987, 275 Jahre Männerchor Ellikon an der Thur.
Eine Chronik bearbeitet von Bernhard Peter und Konrad Bachmann.